Vermeintliches Opfer verstrickt sich in Widersprüche

Aussage gegen Aussage und Sexualstrafrecht

13.08.2019 – Die Staatsanwaltschaft (StA) Bielefeld hat das Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung gegen unseren Mandanten eingestellt. Das vermeintliche Opfer hatte vorher die Entbindung ihrer Therapeuten von der ärztlichen Schweigepflicht abgelehnt und sich zunehmend in Widersprüche verstrickt.

13.08.2019 - Es war dies eines der typischen Vefahren, bei denen Chatverläufe  zur Rekonstruktion des Sachverhaltes beigetragen haben. Die StA in Düsseldorf hat ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung gegen unseren Mandanten eingestellt. Das vermeintliche Tatopfer - die "Opferzeugin" - hatte sich auch in erhebliche Widersprüche zu Chatverläufen verstrickt. 

Glaubhaftigkeit von „Opferzeugen“ weiter die zentrale Frage

Beide Verfahrenseinstellungen aus dem August 2019 verdeutlichen, dass auch im „neuen Sexualstrafrecht“ die Frage nach der Glaubhaftigkeit von „Opferzeugen“ weiter im Vordergrund steht. Das „neue Sexualstrafrecht“ ist in ungezählten Überschriften angekündigt worden. Tatsächlich ist das Sexualstrafrecht in Deutschland – mit Wirkung ab dem 10.11.2016 – vor allem in den §§ 177, 178 StGB (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Übergriff) auch neu gestaltet – und teilweise erweitert - worden.

Aussage-gegen-Aussage-Konstellation weiterhin typisch

Für die Strafverteidigung hat sich damit aber nicht alles schlagartig geändert, auch wenn die Kommentatoren von einem „systematischen Paradigmenwechsel“ sprechen, weil das „Nein-heißt-Nein“-Modell in das geltende Recht implementiert worden ist. Das wesentliche für die Strafverteidigung bleibt: Die Aussage der Zeugin / des Zeugen bzw. des Opfers stellt regelmäßig eine Hauptgrundlage der Verurteilung dar und eine Verfahrenseinstellung oder  ein Freispruch basieren demgegenüber oftmals nur auf den Äußerungen des Angeklagten bzw. seiner Verteidigung. In der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation müssen nach wie vor Falschaussagen anhand von Glaubhaftigkeitskriterien aufgedeckt werden. Die Aussageanalyse, angefangen bei der Aussagekompetenz der Zeugin / des Zeugen, der Entstehungsgeschichte der Aussage bis zu möglichen Suggestionseffekten bleibt unverändert ein Zentralthema der Strafverteidigung im Sexualstrafrecht.

Konstellation Aussage gegen Aussage bei zwei Zeugen

Die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ kann auch bei zwei Belastungszeuginnen oder Zeugen entstehen, die in einem „Lager“ stehen (z.B. Polizeibeamte, Schwestern als Belastungszeuginnen beim Vorwurf sexueller Übergriffe o.ä.). Zwar sollen nach einem Teil der Rechtsprechung dann die strengen Regeln zur Beweiswürdigung in der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ nicht gelten (u.a. KG, Beschl. v. 12.12.2018 − 161 Ss 150/18 anders aber OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 6.11.2009 – 1 Ss 390/08 - Strafverteidiger 2011, 12). Aber es darf auch die Möglichkeit nicht ausgeblendet werden, dass beide Belastungszeuginnen bzw. Zeugen sich vor ihrer Vernehmung ausgetauscht oder sogar abgesprochen haben.

Man muss aber auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass eine reine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation per Definition nur dann vorliegt, wenn es außer den konträren Aussagen keine weiteren sachlichen Beweismittel gibt, die die belastenden Zeugenaussagen stützen. In der Praxis werden als zusätzliche sachliche Beweismittel gelegentlich Arztberichte herangezogen, die die Angaben der Zeugin oder des Zeugen vermeintlich bestätigen, obwohl sie zu den Ursachen der Verletzungen und dem Handlungsverlauf nichts aussagen können. Auch bei der Einordnung solcher sachlichen Beweismittel ist demnach Vorsicht geboten.

Die Verteidigung muss sich in der Konstellation Aussage gegen Aussage bei zwei Zeugen mit dem Argument auseinandersetzen, dass zwei gleiche Aussagen ein verlässlicheres Fundament für die Ermittlung der materiellen Wahrheit bilden als die Aussage nur einer Beweisperson. Bei der Auseinandersetzung mit dieser „Grundannahme“ sind gezielte Absprachen zwischen Zeugen genauso in Betracht zu ziehen wie vor allem auch unbewusste Einflussnahmen im Rahmen gruppendynamischer Prozesse, was im Idealfall durch eine Untersuchung der Aussageentstehung aufgeklärt oder zumindest hinreichend problematisiert wird.

Leider bleibt dem Strafrichter oft auch ganz verborgen, wie eng zwei Zeugenaussagen miteinander verbunden sind, so dass die Aufgabe der Strafverteidigung schon darin besteht, diese Verbindungen aufzuzeigen.

 

Aussage gegen Aussage und Glaubwürdigkeitsgutachten

In erster Linie ist es Sache des Gerichts, die Angaben des Zeugen und seine Glaubwürdigkeit zu würdigen. Die Beweiswürdigung muss das Gericht aber ggfs. gegenüber dem übergeordneten Revisionsgericht verantworten.

Das gemahnt die Instanzgerichte zu besonderer Vorsicht und zur Einholung eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens jedenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wo es ihm an spezieller Sachkenntnis fehlt. Die Einholung eines psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens, das dem Gericht in besonderen Fällen die erforderliche Sachkunde vermitteln soll, ist dann sogar durch die richterliche Aufklärungspflicht geboten.

Die Notwendigkeit besonderer Sachkunde leuchtet auch sofort ein, wenn z.B. aufgrund medizinischer Befunde beim Zeugen Zweifel an seiner Erinnerungsfähigkeit im Raum stehen. Das gilt aber auch bei Alkoholabusus und Medikamentenabhängigkeit, die einen von Laien nicht kalkulierbaren Einfluss auf die Aussagetüchtigkeit eines Zeugen haben können. Bei anderen Zeugen ist das Aussageverhalten ohne einen für den Laien erkennbaren Grund so auffällig, dass nur ein Glaubwürdigkeitsgutachten die Ursachen und Auswirkungen klären kann.

Glaubwürdigkeitsgutachten sind in der Praxis meistens bei Konstellationen von Aussage gegen Aussage und kindlichen oder jugendlichen Zeugen erforderlich und in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs.

Sexueller Übergriff (§ 177 StGB)

Der neue § 177 StGB stellt – als Kern der Neuregelung - sexuelle Übergriffe gegen den Willen einer anderen Person unter Strafe und ist überschrieben mit „Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung“. Der Versuch eines sexueller Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung ist nach § 177 Abs. 3 StGB strafbar.

Die Kurzformel: Sexualkontakte mit einer anderen Person „gegen ihren erkennbaren Willen“ sind strafbar. Eigene aktive sexuelle Handlungen der anderen Person können aber als Rücknahme einer zuvor erklärten Ablehnung zu interpretieren sein und die Aufhebung einer ursprünglich erklärten Ablehnung des Sexualkontakts kann im Hinblick auf das Kriterium „erkennbar“ in § 177 Abs. 1 StGB die Strafbarkeit ausschließen. Es kommt auch nach der Neuregelung des Sexualstrafrechts entscheidend auf die Umstände an, unter denen eine sexuelle Handlung erfolgt. § 177 StGB stellt den Grundtatbestand des sog. sexuellen Übergriffs gegen den Willen einer anderen Person unter eine Strafandrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Danach macht sich strafbar, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt.

Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass die Weigerung vom Opfer entweder ausdrücklich erklärt worden ist oder sich unmissverständlich aus der Situation ergibt. Die Praxis der Strafverteidigung sieht vor allem ein Problem: Ob das „Nein“ wirklich ein „Nein“ war, kann auch das neue Gesetz nicht beantworten (s.u.). Zentrale Bedeutung behalten die Aussage der Zeugin / des Zeugen bzw. des Opfers und die Äußerungen des Angeklagten bzw. seiner Verteidigung.

Und es bleibt auch der zweite Problemkreis für die Strafverteidigung bestehen: Der subjektive Tatbestand setzt Vorsatz beim Täter voraus. Er muss davon ausgehen, dass das Opfer mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden ist. Um das zu klären, sind die Äußerungen des Angeklagten bzw. seiner Verteidigung oft entscheidend.

Weitere Fälle des sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 2 StGB)

In § 177 Abs. 2 StGB sind weitere Straftatbestände des sexuellen Übergriffs mit dem gleichen Strafrahmen wie bei § 177 Abs. 1 StGB geregelt.

Ebenso wie in § 177 Abs. 1 StGB wird - mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren - bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,

der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,

der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,

der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder

der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 Abs. 5 StGB)

Die früheren Tatvarianten der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB a.F.) sind jetzt in § 177 Abs. 5 und Abs. 6 StGB enthalten, nämlich wenn der Täter bei dem sexuellen Übergriff 1.gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet (§ 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB), 2.dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht (§ 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB) oder 3. eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist (§ 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB).

Die besonders schweren Fälle der sexuellen Nötigung – mit der Vergewaltigung als Regelbeispiel - sind jetzt in § 177 Abs. 6 StGB enthalten, wie bisher mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt nach § 177 Abs. 6 StGB in der Regel vor, wenn 1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder 2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

Sog. „Qualifikationen“: In § 177 Abs. 7 und 8 StGB sind die bisher in § 177 Abs. 3 und 4 StGB a.F. enthaltenen sog. „Qualifikationen“ wortgleich übernommen worden.

Nach § 178 StGB ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, wenn der Täter durch den sexuellen Übergriff, die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177 StGB) wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers verursacht.

 

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