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Aber dann ist es ja "Aussage gegen Aussage!" Kein Gerichtsflur, der diesen Seufzer nicht tausendmal gehört hätte. Fast immer kommt der verzweifelte Aufschrei von einem Angeklagten, der von einem einzigen Zeugen massiv belastet wird. "Aussage gegen Aussage" klingt dann erst wie Erleichterung im Lager des Angeklagten, aber noch während er es ausspricht, mischen sich schon Zweifel ein, wie denn das Gericht seine Sache jetzt wirklich beurteilt.
.... in denen der Staatsanwalt zur Überführung des Beschuldigten nur die Aussage eines einzigen Zeugen zur Verfügung hat.
Die belastende Aussage eines Zeugen steht gegen die bestreitende Aussage des Angeklagten. Wenn es dann keine objektiven Anhaltspunkte für das konkrete Geschehen gibt, wird die Luft für die Beweisführung zwar dünn, aber die Flamme der Anklage geht im Gerichtssaal deswegen noch nicht sofort aus.
Für Richter spitzt sich allerdings in dünner Luft die Gefahr von Fehlurteilen dramatisch zu. Kann man annehmen, dass sich der Belastungszeuge an dem Angeklagten rächen will ? Ist der Zeuge sein Feind ? Will der Kronzeuge für sich rücksichtslos durch unrichtige Angaben eine Strafmilderung - etwa nach § 31 BtMG - erlangen ?
Weil die Gefahr so groß ist, stellt die Rechtsprechung schärfere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Fällen von "Aussage gegen Aussage", gerade auch bei Belastung durch Zeugen, die mit einer belastenden Aussage eigene Strafmilderung erkaufen können. Die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sind an einen Katalog von Kriterien zu messen, der schon anfängt mit der Aufklärung der Aussageentstehung und Aussageentwicklung im Laufe des Verfahrens. Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage sprechen u.a. ein deutlich hervorgetretener Belastungseifer des Zeugen, ein erkennbares Motiv für eine mögliche Falschbelastung, erkennbar übertriebene Angaben, eine nachgewiesene teilweise Falschbelastung, jeder Widerspruch innerhalb der Aussage, Widersprüche zu sonstigen Beweisergebnissen.
In Fällen von "Aussage gegen Aussage" ist die Verteidigung gefordert. Auch sind höhere Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Gerichts zu stellen, die eine gute Strafverteidigung nachhaltig aktivieren muss. Jetzt muss der Strafverteidiger auch Beweisanträge stellen, die nicht das unmittelbare Tatgeschehen sondern Randbereiche betreffen und etwa den Nachweis der Unrichtigkeit der Angaben des Belastungszeugen zu anderen Punkten führen. Und der Verteidiger kann Beweisanträge mit dem Ziel stellen, die Entstehung der Aussage, also z.B. die Vorgespräche zwischen Polizeibeamten und Zeugen aufzuklären. Auch sind Anträge auf Beiziehung von Aussagen desselben Zeugen in anderen Verfahren oft hilfreich.
In Sexualstrafverfahren ganz typisch ist eine Beweissituation, in der bei "Aussage gegen Aussage" zur Klärung des Sachverhalts keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen. Manche Gerichte versuchen hier das Dunkelfeld mit Glaubwürdigkeitsgutachten zu erhellen, die nach der Rechtsprechung des BGH ein "zusätzliches Indiz" für die Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit einer Aussage sein können, also nicht alles entscheidend sind. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt die Entscheidung, welchen Angaben das Gericht folgt, generell von einer Gesamtwürdigung aller Indizien ab. Das heißt, die Konstellation "Aussage gegen Aussage" bleibt die nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Strafverteidigung.
Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage geht man davon aus, dass die "wahren" Aussagen über tatsächlich erlebte Ereignisse sich in ihrer Qualität von erfundenen Aussagen unterscheiden. Einzelne Merkmale, die bei der Beurteilung eine Rolle spielen sollen - sog. „Realkennzeichen“ - sind z.B. die Detaillierung der Aussage bzgl. Personen, Handlungen, Ortsangaben und auch nebensächlichen Umständen, die Erwähnung ungewöhnlicher und auch überflüssiger Details und z.B. auch von Details, die eigentlich den Verständnishorizont und die Planungskapazität des Zeugen übersteigen. Herausgestellt werden bei der Beweiswürdigung auch oft die detaillierte Wiedergabe von Interaktionen und Gesprächen und von nicht zu erwartenden Komplikationen im Handlungsablauf. Trotzdem sind autosuggestive Einflüsse hinsichtlich der Verfälschungseffekte der Erinnerung nicht zu unterschätzen, bei denen sich die belastende Aussage langsam durch Uminterpretation harmloser Erlebnisse bis hin zu subjektiver Gewissheit entwickelt hat.
Außerdem wird die Konstanz der Aussage über die Zeit geprüft, von der ersten Aussage gegenüber Bezugspersonen, über Aussagen bei der Polizei und Psychologen bis hin zur Aussage in der gerichtlichen Hauptverhandlung. In diesem Zusammenhang sind Einflüsse auf die Aussage durch Dritte zu identifizieren und Auswirkungen von Äußerungen und Aktivitäten von Mitarbeitern von Betreuungsstellen und Therapiestellen, die eine irreparable, d.?h. im Nachhinein nicht mehr auflösbare Veränderung des Gedächtnisses verursachen können und im ungünstigsten Fall zu einer Aggravation der Aussage führen.
Aus der Sicht der Verteidigung ist die Motivlage des Belastungszeugen besonders zu hinterfragen, die sich u.U. auch Gruppenzugehörigkeit bzw. -solidarität erklären läßt.
Die Bedeutung der genannten sog. „Realkennzeichen“ ist von verschiedenen Autoren wissenschaftlich untersucht worden, die Ergebnisse sind nicht immer eindeutig und kein Kennzeichen macht signifikant den Unterschied zwischen glaubhaften und nicht glaubhaften Aussagen aus.
Bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen stellt sich regelmäßig auch die Frage, ob in der Person des Zeugen und in den Umständen der Aussageentstehung Besonderheiten vorliegen, die die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens erfordern, weil die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der belastenden Zeugenaussage unter diesen besonderen Gegebenheiten nicht ausreicht. Die Sachkunde des Gerichts wird meistens nicht ganz ausreichen, wenn z.B. bei dem Zeugen medizinische Befunde festzustellen sind, die Zweifel an seiner Erinnerungsfähigkeit begründen, aber auch bei Alkoholabusus oder Medikamentenabhängigkeit des Zeugen. Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Zeugen können ebenso die Notwendigkeit eines Glaubhaftigkeitsgutachtens begründen, z.B. bei einem wechselnden Aussageverhalten.
Bei kindlichen oder jugendlichen Zeugen und in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs ist meistens die die Notwendigkeit eines Glaubhaftigkeitsgutachtens begründet.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. in Düsseldorf