Sexualstraftaten

Sexualstraftaten als Dienstvergehen

Die Strafverteidigung gegen Vorwürfe von Sexualstraftaten gehört seit langem zu unseren Schwerpunkten. Dabei sind insbesondere für Beamte mögliche berufliche Konsequenzen sogar noch nach dem Freispruch oder der Einstellung des Strafverfahrens im Auge zu behalten, wie auch das Sonderproblem des sog. "disziplinarrechtlichen Überhangs" zeigt. Wir hatten mehrere Verfahren, die nach dem Freispruch oder der Einstellung im Strafverfahren den disziplinarrechtlichen Überhang zum Gegenstand hatten  (http://www.justiz.nrw.de) oder auch Verfahren bis zum Bundesarbeitsgericht (Az. 2 AZR 700/11 PDF Datei)), das nach der Einstellung des Strafverfahrens (nach Anklageerhebung im Zwischenverfahren) auch den dienstrechtlichen Kündigungsschutz des Klägers bestätigt hat.

Solche Vorwürfe in Disziplinarverfahren sind besonderes Terrain, denn nach der Rechtsprechung sollen sie besonders geeignet sein, "das Vertrauen in einer für ihr Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen" (§ 77 Abs. 1 BBG) und deshalb werden auch außerdienstliche Sexualstraftaten regelmäßig dem Grunde nach als Dienstvergehen von Beamten qualifiziert.

Als erfahrene Rechtsanwälte haben wir mehr als einmal nachgewiesen, dass Vorwürfe in Sexualstrafverfahren unberechtigt waren. Ermittlungsverfahren wurden daraufhin eingestellt und in anderen Fällen scheiterten die Anklagebehörden vor der Eröffnung eines Hauptverfahrens (vgl. BGH Strafverteidiger 2005, 113 zu den Anforderungen an die Konkretisierung in einer Anklage). Das schlug dann auf die Beurteilung im Disziplinarverfahren durch.

Wegen der vielfältigen Erscheinungsbilder, die nach Intensität und Schaden ebenso variieren wie nach der persönlichen Situation des Täters, orientiert sich die disziplinarrechtliche Praxis ganz eindeutig an der strafrechtlichen Einstufung.

Da das Sexualstrafrecht überwiegend Strafandrohungen in höheren Lagen aufweist, kommt hier besonders die Entscheidung des BVerwG vom 30. 08. 2000 (DVBl. 2001,137) zum tragen, wonach außerdienstliche Straftaten regelmäßig zugleich ein außerdienstliches Dienstvergehen darstellen, wenn sie im Strafrecht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Dabei kommt es für die Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstvergehens dem Grunde nach nicht darauf an, welche Strafe im Einzelfall vom Strafgericht verhängt wurde.

Die im Einzelfall vom Strafgericht verhängte Strafe hat aber in der Praxis erheblichen Einfluss auf die Auswahl der Disziplinarmaßnahme. Strafaussetzungen zur Bewährung können vom Gericht mit vielfältigen Auflagen kombiniert werden, zum Beispiel auch einer Therapieauflage (BGH, Strafverteidiger 1999, 374).

Im Disziplinarverfahren kann sich der Beamte noch einmal eigenständig mit besonderen Milderungsgründen verteidigen. Z.B. bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB kommt die Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren grundsätzlich nicht mehr in Betracht (BVerwG, Urt. vom 25.03.2010, 2 C 83/08; zur Bedeutung einer Alkoholtherapie vgl. auch OLG Karlsruhe, Strafverteidiger 2005, 392).

Die Strafverteidigung eines Tatverdächtigen stellt bei dem Verdacht einer Sexualstraftat komplexe Anforderungen, nicht zuletzt wegen der gesteigerten Gefahr, dass von den Strafverfolgungsbehörden Untersuchungshaft eingesetzt wird.

Was kann gute Strafverteidigung bei dem Vorwurf von Sexualstraftaten leisten ? Gute Strafverteidigung kann rechtzeitig ansetzen, bevor es zu spät ist und bevor eine Verteidigungschance verpasst ist.

Die Voraussetzungen dafür müssen stimmen: Gute Strafverteidigung setzt praktische Vernunft voraus und einen Strafverteidiger, der auf seinem Gebiet mit hervorragenden juristischen Fähigkeiten begabt ist. Der Verteidiger kann dann u.a. belastende und entlastende Beweismittel bewerten und präzise auf ihre strafprozessuale Verwertbarkeit überprüfen.

Außer juristischer Begabung und Vernunftbegabung muss der Strafverteidiger eine große Konzentrationsfähigkeit mitbringen und gerade im Sexualstrafrecht eine Hingabe für die Herausarbeitung von Details haben.

Effiziente Strafverteidigung erarbeitet früh mit dem Mandanten ein realistisches Verteidigungsziel, das einem "Reality-Check" standhält. Dafür muss der Strafverteidiger Empathie und die Fähigkeit mitbringen, sich in die Situation seines Mandanten zu versetzen, alternative Geschehensabläufe durchdenken und juristisch bewerten können.

Tritt die Verteidigung nach einem sorgfältig erwogenen Konzept der Tatschilderung in der Anklageschrift entgegen, muss sie alternative Geschehensabläufe darstellen können. Man kann nur überzeugen, wenn man weiß, wovon man überzeugen will. Das gilt auch und gerade vor Gericht.

Gerade auch im Sexualstrafrecht gibt es ein differenziertes System von Sanktionen unter Einbeziehung von Therapien, das man als Strafverteidiger für eine "erträgliche" Strafe und in vielen Fällen auch für eine Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung nutzbar machen kann. Verantwortungsbewusste Strafverteidigung sieht das Gesamte und muss das ihr Mögliche zur Bewältigung der Krise beitragen.

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