Kartellstrafrecht

Kartellstrafrecht - § 298 StGB - Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen

Der im Jahre 1997 eingeführte § 298 StGB hat eine erhebliche Ausweitung des Kartellstrafrechts mit sich gebracht. Insbesondere konstatieren Strafverteidiger aber auch, dass die Rechtsprechung der letzten Jahre eine deutliche Verschärfung der Maßstäbe in diesem Bereich herbeigeführt hat (s.u.).

Demgegenüber gibt es für die Ahndung von Submissionsabsprachen im restlichen Europa noch gar kein einheitliches Bild, sondern ein unterschiedliches Spektrum von Vorschriften - auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten - und sehr unterschiedliche Straftatbestände für kartellrechtlich relevante Verhaltensweisen.

Mit der Einführung des Straftatbestandes des § 298 StGB im Jahre 1997 wurden rechtswidrige Absprachen bei Ausschreibungen, sog. "Submissionsabsprachen", mit einen eigenen Staftatbestand unter Strafe gestellt. Submissionsabsprachen wurden bis dahin gelegentlich als Betrug i.S.d. § 263 StGB verfolgt, wobei ich mich erinnere, dass regelmäßig der für den Betrug erforderliche Schadensnachweis die Justiz vor besondere Probleme stellte. § 298 StGB verzichtet jetzt für die Strafbarkeit auf den Schadensnachweis. Der BGH hatte allerdings vorher schon versucht, die Anwendung des Betrugstatbestandes auf Submissionsabsprachen in den beiden sog. "Reinausbau-Entscheidungen" (vgl. BGHSt 38, 186 und BGH WiStra 194, 346) erheblich auszuweiten, indem er für die Feststellung eines Vermögensschadens des Ausschreibenden den Vergleich mit einem hypothetischen Markt- bzw. Wettbewerbspreis ausreichen ließ.

  • 298 Abs. 1 StGB stellt die Abgabe eines Angebots bei einer Ausschreibung unter Strafe, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht. Der Straftatbestand erfasst die bloße Abgabe von abgesprochenen Angeboten bei einer Ausschreibung, ohne daß die Strafbarkeit einen Vermögensschaden beim Veranstalter oder bei einem Mitbewerber voraussetzt. Der jetzt als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltete Straftatbestand ist auch dann erfüllt, wenn es nachweislich zu keiner Gefährdung des Wettbewerbs, des Vermögens der möglichen Mitbewerber oder der Vermögensinteressen des Veranstalters kommt. In einem solchen Fall ist es für die Strafverteidigung gleichwohl sehr wichtig, den Einwand mangelnder Gefährdung des geschützten Rechtsgutes herauszuarbeiten, der jedenfalls ein Einwand gegen die Strafwürdigkeit des straftatbestandsmäßigen Verhaltens ist. Vielfach ermöglicht das auch eine Einstellung nach den Opportunitätsvorschriften der §§ 153, 153a StPO.

Die Absprache
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur JZ 2005, 2047, 48 f.) müssen an der Absprache mindestens zwei Anbieter beteiligt gewesen sein und eine Absprache zwischen einem Anbieter und dem Veranstalter der Ausschreibung reicht für den Straftatbestand des § 298 StGB nicht unbedingt aus. Auf der anderen Seite schließt aber auch eine Beteiligung von Mitarbeitern des Veranstalters der Ausschreibung an der Absprache die Straftatbestandsmäßigkeit nicht von vornherein aus. Der Mitarbeiter des Veranstalters kann sich als Teilnehmer an der Tat anderer strafbar machen, während seine Täterschaft i.S.d. § 298 StGB nicht in Betracht kommt. Täter kann nur sein, wer ein Angebot abgibt.

Der Straftatbestand des § 298 Abs. 1 StGB setzt eine "Ausschreibung" voraus, mithin ein Verfahren, mit dem ein Veranstalter Angebote mehrerer Anbieter für die Warenlieferung oder Leistungserbringung einholt. Ausschreibungen sind im Vergaberecht geregelt, wobei allerdings Ausschreibungen unterhalb sog. "Schwellenwerte" auch ganz vergaberechtsfrei sind.

Der Anwendungsbereich des § 298 StGB umfaßt sowohl öffentliche Ausschreibungen als auch private Ausschreibungen. Für die Strafverteidigung kann es bei letzteren im Einzelfall zielführend sein, Ausschreibungen i.S.d. § 298 StGB von anderen auf eine mehr oder weniger freie Auftragsvergabe abzielenden Verfahren zu unterscheiden. Oft fehlt auf Seiten des privaten Veranstalters der für eine Ausschreibung erforderliche Bindungswille, so dass das Straftatbestandsmerkmal der "Ausschreibung" nicht erfüllt ist. Oder die Verteidigung kann einwenden, dass sich Unregelmäßigkeiten bei dem Versand der Vergabeunterlagen und fehlende Dokumentation bei der Angebotseinreichung und Öffnung der Angebote feststellen lassen oder es Unregelmäßigkeiten bei der Prüfung und Wertung der Angebote gab oder dass die Erteilung des Zuschlags nicht nachvollziehbar ist.

Aufgabe des Strafverteidigers ist - wie immer - die gründliche und kritische Überprüfung der Voraussetzungen des Straftatbestandes. Eine öffentliche Ausschreibung i.S.d. § 298 StGB setzt u.a. voraus, daß eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird. Der Ausschreibung i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB steht aber die freihändige Vergabe eines Auftrages nach einem vorausgegangenen Teilnehmerwettbewerb gleich (§ 298 Abs. 2 StGB). Bei dieser Verfahrensweise bleiben Verhandlungen mit den Bietern - auch über den Preis - zulässig.

Die Tathandlung ist in jedem Falle die Abgabe eines Angebotes bei einer Ausschreibung. Die Subsumtion unter den Straftatbestand erfordert von der Strafverteidigung Präzision. Lag tatsächlich ein Angebot vor, oder hat der Anbieter nur Interesse bekundet? Alle informellen Bemühungen um eine Auftragserlangung und bloße Interessenbekundungen erfüllen den Straftatbestand sicher nicht. Ein "Angebot" muß auch den wesentlichen inhaltlichen und förmlichen Anforderungen der Ausschreibung genügen und ausreichend bestimmt sein. Der Straftatbestand ist auch erst erfüllt, wenn das Angebot bei dem Veranstalter - fristgerecht -ankommt. Die Strafverteidigung kann anhand solcher Kriterien alle untauglichen "Angebote" ausgrenzen, die von vornherein das geschützte Rechtsgut gar nicht gefährden konnten.

Die abgesprochene Nichtabgabe eines Angebotes wird in der Regel auch dann zur Verwirklichung des Straftatbestandes nicht ausreichen, wenn sie einen Mitanbieter begünstigt.

Dem Angebot muß eine rechtswidrige Absprache vorausgehen, bloß bewußtes Parallelverhalten verschiedener Anbieter reicht nicht aus. Hier kann es u.U. erhebliche Abgrenzungsprobleme geben, insbesondere wenn sich eine Koordination von Unternehmen durch wechselseitige Informationen nachweisen läßt. Jedenfalls kann der bloße Meinungsaustausch zwischen verschiedenen Anbietern den Straftatbestand nicht erfüllen, solange es an dem für eine Absprache konstitutiven Verständnisakt fehlt. Straftatbestandsmäßig ist auch nur ein Angebot, das tatsächlich auf einer rechtswidrigen Absprache beruht. Unterbietet z.B. ein Anbieter ein ihm zur Kenntnis gelangtes Kartell, dann erfüllt das den Straftatbestand nicht.

  • 298 Abs. 3 StGB enthält eine Regelung für die tätige Reue, wonach der Anbieter nicht bestraft wird, wenn er verhindert, daß der Veranstalter der Ausschreibung sein Angebot annimmt oder wenn er die spätere Leistungserbringung durch den Auftraggeber verhindert bzw. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebotes oder das Erbringen der Leistung des Ausschreibenden zu verhindern. Grundsätzlich eröffnet § 298 Abs. 3 StGB einen sehr weiten Anwendungsbereich.

Im Zusammenhang mit § 298 StGB ergeben sich regelmäßig folgende Fragen:

  1. Sind private Ausschreibungen als "Ausschreibung" i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB anzusehen?
     
  2. Sind vertikale Absprachen als "Absprache" i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB zu verstehen?
     
  3. Wann ist ein Angebot "abgegeben" i.S.d. § 298 StGB?
     
  4. Gehören zum Täterkreis auch Außenseiter, die selbst nicht an der Kartellabsprache beteiligt sind?
     

Fallen sog. Quoten- und Erhaltungskartelle unter den Straftatbestand des § 298 StGB?
 
(Beispiel: Die örtlichen Bauunternehmer 1, 2 und 3 einigen sich im Hinblick auf städtische Ausschreibungen dergestalt, daß jeweils einer ein günstig kalkuliertes Angebot abgibt, während die beiden anderen deutlich überhöhte Angebote abgeben, um dem ersten den Zuschlag zu sichern.)

Kommt außer einer Strafbarkeit nach § 298 StGB gleichzeitig auch eine Strafbarkeit nach § 263 StGB in Betracht?

 

Bitte rufen Sie uns an unter +49 (0) 211 1718380 oder schicken Sie uns eine Email an duesseldorf@ra-anwalt.de um herauszufinden, wie wir Ihnen helfen können.

Für Notfälle haben wir einen 24 Std. Notruf unter 0172-2112373 oder 0172-7056055

Kontaktieren Sie uns!