Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornographie - Der überwiegende Teil der Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornographie stammt aus drei Quellen, davon 1. zu geringeren Anteilen aus Verfahren, die auf Strafanzeigen aus dem Umfeld oder weiteren Täter-Hinweisen aus anderen Verfahrensakten basieren, 2. zum Teil aus polizeilichen Ermittlungen im offenen Internet und aus Darknet-Ermittlungen und 3. zum ganz großen Teil von der NCMEC, der US-amerikanischen Organisation, bei der alle Provider (Google, Facebook etc.) jede Bewegung von kinderpornographischen Material melden.

Seit dem 02.04.2022 gibt es mit § 110d StPO einen Richtervorbehalt für Ermittlungseinsätze nach § 184b Abs. 6 StGB, der zur effektiveren Strafverfolgung wegen kinderpornografischer Delikte Ermittlern unter engen Voraussetzungen erlaubt, selbst computergenerierte (nur solche!) kinderpornographische Inhalte herzustellen und zu verbreiten. § 110d StPO enthält eine Regelung für das „Verfahren bei Einsätzen zur Ermittlung von Straftaten nach § 184b StGB, wonach solche gezielten Ermittlungen der Zustimmung des Gerichts bedürfen. In dem Antrag der Ermittlungsbehörden ist darzulegen, dass die handelnden Polizeibeamten auf den Einsatz umfassend vorbereitet wurden. Bei Gefahr im Verzug kann allerdings die Zustimmung der Staatsanwaltschaft genügen. Solche Maßnahmen mit computergenerierten kinderpornographischen Inhalten sind nach den Erfahrungen von Ermittlern aber sehr aufwendig und vergleichsweise oft erfolglos, auch wenn in Deutschland immer wieder öffentlichkeitswirksame bemerkenswerte Ermittlungserfolge gemeldet werden.

Düsseldorf - Rechtsanwalt zum NCMEC

Die ganz überwiegende Anzahl der Anzeigen stammt bislang aber von der US-amerikanischen NCMEC. Wer in Deutschland Daten über das Internet erhält, in der Cloud lagert oder über soziale Medien ins Internet weiterleitet, sollte sich bewusst sein, dass diese Daten den Diensteanbietern (Facebook, Google und andere Online-Konzerne) fast vollständig sichtbar gemacht werden.  Facebook, Google und andere Online-Konzerne arbeiten bereits seit Jahren zusammen, um unter anderem kinderpornografisches Material zu erkennen und anzuzeigen. Hierzu heißt es von Seiten des BKA:

„Hinweise auf den Besitz und die Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten sowie den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im und über das Internet erhält das BKA überwiegend vom National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Wie das Bundeslagebild zeigt, waren es in 2022 insgesamt 89.850 strafrechtlich relevante Sachverhalte“.

BKA zum NCMEC

Das NCMEC stellt für die jeweiligen Lander, aus denen die inkriminierten Daten stammen, Reporte zusammen. Diese Reporte wurden für Deutschland zunächst zentral vom BKA in Wiesbaden bearbeitet, inzwischen von den LKA ?s der einzelnen Bundesländer.

Bisweilen führt die automatisierte Suche auch zu Fehlern (vgl. dazu Heise Online 22.11.2022 zu dem Stichwort „Mary McIntyre“). Außerdem kann es in bei der Übertragung der IP-Adresse, und sei es beim Kopieren in den NCMEC-Bericht zu Fehlern kommen. Und dann bleibt immer noch vor Ort aufzuklären, wer denn tatsächlich Nutzer einer IP-Adresse oder Telefonnummer war.

Düsseldorf - Beweislage bei Kinderpornografie § 184b StGB oder Jugendpornografie § 184c StGB

Das AG Bocholt hat mit älteren Entscheidungen aufgeräumt, die bis vor kurzem undifferenziert die Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache unterstellten und daran die Strafbarkeit wegen Kinderpornografie nach § 184b StGB oder Jugendpornografie nach § 184c StGB festmachten. Solche Gerichtsentscheidungen sind aber inzwischen auf Grund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel gar nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern ganz schnell Daten im sog. Cache gespeichert werden.

In seiner hilfreichen Entscheidung hat das AG Bocholt (Beschl. vom 23.3.2017 – 3 Ds 540 Js 100/16 – 581/16) die übereifrigen Ermittler gebremst und zuerst daran erinnert, dass eine Bestrafung wegen des Besitzes jugendpornografischer Bilder (§ 184c StGB) nur in Betracht kommt, wenn das jugendliche Alter der abgebildeten Person auch tatsächlich bekannt ist. Sonst müsste die Abbildung schon so kindlich wirken, dass sie fast schon in die Nähe des Besitzes kinderpornografischer Bilder (§ 184b StGB) fällt. Eines ist doch eigentlich klar: Allein vom visuellen Eindruck her ist eine Unterscheidung zwischen einer 16-jährigen Jugendlichen und einer 18-jährigen jungen Frau nicht möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon früher ausgeführt, dass weder anhand der körperlichen Merkmale noch durch eine Analyse von Gesichtszügen die Unterscheidung zwischen einer 16- oder 17-jährigen oder einer 18-jährigen Person mit hinreichender Zuverlässigkeit getroffen werden kann (vgl. BVerfG, B. v. 6.12.2008 – 2 BVR 2369, 2380/08).

Und dann ist auch die Frage noch nicht beantwortet, ob jemand beim Abspeichern wirklich vorsätzlich handelte, was ja immer Voraussetzung für eine Strafbarkeit iSd. § 184b StGB (Kinderpornografie) oder § 184c StGB (Jugendpornografie) ist. Und auch noch vorher ist zu prüfen, ob nicht sogar der Besitz schon zweifelhaft ist. Vor der Eröffnung eines Hauptverfahrens ging das AG Bocholt gründlich zu Werke und hat das Vorurteil aus der Welt geschafft, dass angeblich beim durchschnittlichen Nutzer davon ausgegangen werden kann, dass ihm die Existenz der Datenspeicherung im Cache geläufig ist und er weiß, wie diese Daten gelöscht werden können. Tatsächlich ist das eben nicht der Fall, sodass der Vorsatz entfällt.

Auch nur der „Besitz“ ist strafbar. Wir haben in unserer Praxis viele Fälle, in denen von vornherein zweifelhaft ist, ob der Beschuldigte tatsächlich an den Bildern Besitz hatte, auch wenn die Fotos tatsächlich auf seinem Rechner gefunden wurden. § 184b StGB ist eben kein reines „Unternehmensdelikt“, sondern § 184b Abs. 1 StGB i.V.m. § 11 Abs. 3 StGB setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus. Hatte der Beschuldigte überhaupt die Möglichkeit, sich die Bilder zugänglich zu machen, wenn er gar nicht wußte, dass und wie er darauf zugreifen konnte? Deshalb ist in jedem Fall die Pfadbeschreibung der jeweiligen Fotos genauer unter die Lupe zu nehmen.

Per se reicht allein der Umstand, dass automatisch kinderpornografische Inhalte auf der Festplatte des Nutzers gespeichert wurden, zum Nachweis des Besitzwillens iSd. § 184b StGB oder § 184c StGB nicht aus. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Das Abspeichern muss vorsätzlich geschehen und wenn der Beschuldigte gar nicht wußte, dass die Bilder im Cache gespeichert werden, so setzt die Strafbarkeit wegen § 184b StGB (Kinderpornografie) oder § 184c StGB (Jugendpornografie) frühestens ein, sobald der Angeschuldigte erkennt oder aber billigend in Kauf genommen hat, dass er Kinderpornografie besitzt und den Besitz gleichwohl fortsetzt.

Gegenteilige ältere Entscheidungen, die von einer Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache ausgehen, sind auf Grund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern Daten im sog. Cache gespeichert werden und wenn der Beschuldigte von sich unwiderlegbar behauptet, von den Bildern keine Kenntnis gehabt zu haben, wird der Nachweis regelmäßig im Hauptverfahren nicht zu führen sein, sodass er trotz der Bilder aus tatsächlichen Gründen nicht verurteilt werden kann.

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