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Wir haben ständige Praxis im Sexualstrafrecht und wissen um die Besonderheiten des Jugendstrafrechts. Im Jugendstrafverfahren können Ermittlungsverfahren auch wieder eingestellt werden und führen nicht zwangsläufig zur Gerichtsverhandlung, die vielleicht im Erwachsenenstrafrecht unvermeidbar gewesen wäre.
Andere Verfahren führen später im Gerichtsverfahren zur Einstellung. Gerade hat das AG Grevenbroich in einer Jugenstrafsache (214/21) ein länger dauerndes Verfahren gem. 47 II JGG für die Dauer von zunächst 6 Monaten eingestellt mit der Auflage, dass der Angeklagte in dieser Zeit der Jugendgerichtshilfe die regelmäßige Teilnahme an einer Therapie nachweist, bevor das Verfahren endgültig eingestellt wird.
Im Bereich der §§ 184b, 184c StGB hat der Gesetzgeber im Juli 2021 die gesetzlichen Mindesstrafen für neue Fälle erheblich erhöht, wobei für 2024 wieder mit einer Reduzierung der Strafrahmen zu rechnen ist. Die noch geltende Strafreahmenerhöhung führt aus der Sicht der Strafverteidigung zu einer anderen Herangehensweise. Gerichtsverhandlungen sind öfter als früher nicht mehr vermeidbar, aber trotz Erhöhung der Strafrahmen können auch im Erwachsenenstrafrecht vollstreckbare Freiheitsstrafen immer noch vermieden werden. Und dabei muss klargestellt werden, dass die Mindeststrafen im Jugendstrafrecht nicht gelten. Aber die gesetzliche Erhöhung der Strafen im Bereich der §§ 184b, 184c StGB soll in "024 wieder reduziert werden.
Der Grundstrafrahmen des § 184 b StGB erstreckte sich bis Juli 2021 im Erwachsenenstrafrecht von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Nunmehr sind die Verbreitung, der Besitz und die Besitzverschaffung von Kinderpornografie ein Verbrechen für Erwachsene mit einer Mindeststrafe von einem Jahr versehen, so dass nach dem Gesetz für Erwachsene auch eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a StPO nicht mehr möglich ist. In 2024 soll die Mindeststrafe - nach einem bisher nicht veröffentlichten Gesetzesentwurf - wieder auf sechs Monate reduziert werden, was dann auch in minder schweren Fällen auch wieder Erledigungen außerhalb öffentlicher gerichtlicher Hauptverhandlung ermöglichen sollte.
Lediglich für fiktive Kinderpornografie, die ersichtlich nicht auf einem realen Missbrauch basiert, bleibt es auch bisher nach § 184b Abs. 1 S. 2 StGB („kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen“) beim bisherigen Strafrahmen, da die Verbreitung von kinderpornografischen Comics, Zeichnungen und so weiter im Unrechtsgehalt deutlich geringer wiegt („Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren“).
Auch aus der Sicht der Eltern ist wichtig: Die im Juli letzten Jahres verschärften Strafrahmen der §§ 184b, 184c StGB gelten nicht für Jugendliche und nicht zwingend für Heranwachsende.
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer (§ 184b StGB) oder jugendpornographischer Inhalte (§ 184c StGB) können aber auch schon bei Jugendlichen ab 14 als Straftat nach dem Jugendstrafrecht geahndet werden. Ab 14 Jahren ist man strafmündig und kann für sein Handeln - auch im Internet - belangt werden, auch wenn man bei Kinder- oder Jugendpornografie zur gleichen Altersgruppe wie die abgebildeten Personen gehört.
Wir haben dieses Jahr mehrere Verfahren beim Jugendrichter wegen der Straftatbestände der §§ 184b, 184c StGB betreut. Das Ergebnis ist für Jugendliche und Heranwachsende „erträglich“, wenn sie im Verfahren die richtige Einstellung zeigen. Viele Jugendliche wussten vorher nicht um die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns. Der Anteil der Kinder- und Jugendlichen, die in Chatgruppen und Messengern selbst gemachte Aufnahmen verbreitet haben, ist sogar hoch. Manchmal werden in Chatgruppen und Messengern selbst gemachte Aufnahmen verbreitet und in Umlauf gebracht, die Kinder oder Jugendliche zeigen, weil Jugendliche über die Rechtslage und mögliche Konsequenzen ihres Handelns nicht nachgedacht haben. Aufklärung tut Not.
Für die meisten Jugendlichen bleiben Straftaten und der Gang zum Jugendrichter eine Episode - ein Einzelfall - und begründen in der Regel keine massive strafrechtliche Sanktion. Im Jugendstrafrecht ergeben sich die möglichen Rechtsfolgen aus dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), das gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (§ 1 II JGG). Heranwachsende können unter Umständen auch noch nach Jugendstrafrecht behandelt werden (§ 1 III JGG).
Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken (§ 2 I S. 1 JGG). Um dieses Ziel zu erreichen sind das Verfahren und auch die Rechtsfolgen vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten (§ 2 I S. 2 JGG). Aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen werden regelmäßig Erziehungsmaßregeln angeordnet (§ 5 I JGG). Erst wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, wird die Straftat eines Jugendlichen mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet (§ 5 II JGG).
Wenn Jugendliche und Heranwachsende mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert werden, gelten nicht die gleichen Strafandrohungen wie bei Erwachsenen. Die Bestimmungen der gesetzlichen Rechtsfolgen durch das Strafgesetzbuch (StGB) werden durch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) weitgehend für Jugendliche und Heranwachsende verdrängt.
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) gilt immer, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (§ 2 Abs. 2 JGG). Für beide Gruppen gilt das JGG.
Begeht ein Heranwachsender (achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt) eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter auch bei einem Heranwachsenden bei typischen Jugendverfehlungen noch Jugendstrafrecht an, oder wenn eine „Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters“ ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Die Praxis greift nach unserer Erfahrung öfter auf die Reifeverzögerung als auf die Jugendverfehlung zurück.
Dem Jugendrichter kommt hierbei ein Beurteilungsspielraum zu und er setzt die Jugendgerichtshilfe (JGH) ein, die den Heranwachsenden im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung zuhause aufsucht, um ein Bild von seiner Entwicklung und seinen Lebensverhältnissen zu bekommen. Die primäre Entscheidungshilfe des Jugendrichters ist also eigentlich durch die JGH zu leisten, zumal manchmal der Gerichtssaal auch der am wenigsten geeignete Ort ist, um das geistig-seelische Leben eines Heranwachsenden zu erfassen.
Der Jugendrichter kann die Reife für verschiedene Lebensbereiche (Sexualität, Umgang mit Geld, Straßenverkehr usw) unterschiedlich beurteilen und sogar für mehrere angeklagte Delikte durchaus differenziert sehen, was aber nach unserer Erfahrung selten vorkommt. In allen Fällen ist eine Leitlinie, ob der Heranwachsende näher an der Altersgrenze zu 18 oder schon fast 21 Jahre als ist.
Nach unserer Erfahrung kommt der Jugendrichter in der Mehrzahl der Fälle zu dem Ergebnis, dass die Herausbildung der moralischen oder kognitiven Urteilsfähigkeit bei der / dem Heranwachsenden noch im Fluss ist, wobei wir sogar eine höhere Anwendungsquote des Jugendstrafrechts für männliche Betroffene sehen.
Gerade bei Sexualstraftaten ist das in der Regel eine urteilsentscheidende Weichenstellung, weil dann die erhöhten Strafandrohungen des Sexualstrafrechts im StGB den Ausgang des Strafverfahrens nicht von vornherein eindeutig vorzeichnen.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. in Düsseldorf